Nebenhandlungen und Rückblicke
Einleitung
In letzter Zeit versuchte ich verzweifelt ein K-Drama fertig zu schauen: „Crash Course in Romance“. Bis zur Folge 14 habe ich mich durchgequält und dann eingestehen müssen: Nein, es geht echt nicht mehr.
Was ist das Problem?
Es gibt eine Haupt-Story-Line. Darin geht es um einen sehr gut verdienenden Nachhilfelehrer zu welchem die Tochter der Heldin, sie betreibt ein Beilagenrestaurant, geht. Da die Tochter in der Nachhilfeschule diskriminiert wird, gibt ihr der Nachhilfelehrer Privatnachhilfe und lernt dabei die Mutter kennen. Und so haben wir eine Story um Nachhilfe, Diskriminierung und eine Romanze.
Aber…
Es gibt einen Nebenhandlung, die mit der Hauptstory absolut nichts zu tun hat. Warum? Und in Folge 14 kommt noch eine Nebenhandlung hinzu, die mit den anderen beiden nichts zu tun hat. Warum??
Nebenhandlung 1: Der Nachhilfelehrer hat einen Assistenten, der ihn beschützen möchte und dafür Menschen mit Metallkugellgeschossen tötet, damit sie dem Nachhilfelehrer nicht gefährlich werden können. Äh, warum töten? Und warum mit Metallkugeln? Und was hat das mit der Hauptstory zu tun? Nichts. Interessiert mich also diese Geschichte? Nein, definitiv nicht.
Nebenhandlung 2: Die Tochter ist eigentlich gar nicht die Tochter der Frau, sondern ihre Nichte. Die Tochter wuchs bei ihr auf, seit sie in die Grundschule ging, weil ihre Mutter sie einfach so verlassen hatte. Nun, in Folge 14, steht plötzlich die „Biomutter“ da und möchte die Tochter mitnehmen, die jetzt im letzten Jahr der Highschool ist. Warum sollte sie das tun? Warum sollte sie sich plötzlich nach über 10 Jahren wieder für ihre Tochter interessieren? Und was hat das mit der Hauptstory zu tun? Nichts. Interessiert mich diese Story, interessiert mich diese Mutter? Nein. Aus welchem Grund taucht sie plötzlich auf? Wissen wir nicht. Der Drehbuchautor hatte wohl keine Ideen mehr und musste irgendwie die 16 Folgen füllen. Also erfindet man belanglose Probleme und bauscht sie auf.
Das ist ein extrem schlechtes Script. Und war für mich psychisch nicht mehr verkraftbar.

Regel: Alle Nebenhandlungen bringen die Haupthandlung voran
In einem anderen Kapitel habe ich über Spannungsbögen gesprochen (Spannungsbögen und Heldenreisen), vielleicht könnte man sie auch als „Handlungen“ bezeichnen. Es wird ein Problem aufgemacht, dies erfordert eine Handlung und am Ende steht die Lösung des Problems und somit das Ende eines „Teil-Handlungsstranges“. Spannungsbögen sind also auch Handlungsbögen oder Handlungsstränge.
Nebenhandlungen dienen einzig dazu, die Haupthandlung voranzubringen.
Die erste Frage ist also: Was ist die Haupthandlung? Ich habe sie zwar schon oben beschrieben, aber wie erkennt man sie? Nun, die Serie heißt „Crash Course in Romance“, also erwarten wir eine „Romance“, welche somit die Haupthandlung darstellt. Der „Crash Course“ – Crash-kurs – bezieht sich auf die Nachhilfe. Da er Nachhilfelehrer ist, ist der „Crash Course“ automatisch in der „Romance“ enthalten. Im Original heißt die Serie jedoch etwa „Ein Skandal“ (Der Nr.1-Skandal). So dass hier der Hauptstrang der Skandal wäre. Dieser ist, wie das Bild dazu nahelegt, die Tatsache, dass der Nachhilfelehrer Chi-yeol mit der Beilagenverkäuferin Haeng-seon zusammen ist. Ist das ein Skandal? Hmmmm… Okay, künstlerische Freiheit. Doch offensichtlich soll die „Romance“ der „Skandal“ sein.
Damit hätten wir den Hauptstrang festgelegt.
Aufgabe der Nebenhandlungen ist es nun, diesen Hauptstrang voranzubringen, oder ihn zu behindern. Sie dürfen auf keinen Fall parallel laufen – also ohne gegenseitige Berührung oder Beeinflussung. Egal, wie viele Handlungen man aufmacht, sie müssen sich immer gegenseitig beeinflussen und am Ende zusammenlaufen.
In „Crash Course in Romance“ ist er, Chi-yeol, ein reicher und erfolgreicher Nachhilfelehrer, zu dessen Kurs Haeng-seons Tochter, Hae-yi (die zweite Hauptdarstellerin), angemeldet wird. Doch neidische reiche Intrigantinnen sorgen dafür, dass sie den Kurs verlassen muss. Allerdings ist Hae-yi Chi-yeols beste Schülerin. Über dieses unfaire Verhalten ärgert sich Chi-yeol und gibt Hae-yi kostenlos private Nachhilfe. Dadurch begegnet er ihrer Mutter Haeng-seon und eine Liebesgeschichte entsteht. Doch dadurch, dass Chi-yeol nun Hae-yi Privatnachhilfe gibt, wird der Hass der reichen Neider-Weiber noch größer und er, Hae-yi und nun auch Haeng-seon werden zu Angriffspunkten.
Dies ist die Haupthandlung und eine Geschichte, die eigentlich für 16 Folgen reicht, wenn man ein gutes Drehbuch schreiben kann.
Nebenhandlungen gibt es natürlich auch gute. So hat Haeng-seon eine beste Freundin und einen Bruder mit einer geistigen Behinderung. Dadurch, dass ihre beste Freundin und ihr geistig behinderter Bruder ein Paar werden, muss sich Haeng-seon nicht um ihn kümmern und kann persönliche Probleme angehen, was die Story voranbringt.
Probleme verursacht aber die Freundschafts-Liebes-Beziehung von Hae-yi und Seon-jae. Seon-jaes Mutter gehört zum Kreis der reichen Neider-Weiber und versucht durch Betrug Seon-jae bei den Schulnoten zu helfen. Das ist auch Teil der Nebengeschichte „Was Mütter tun, um ihre Kinder auf die Uni zu bringen“, welche ja die Lovestory letzten Endes in Gang gebracht hat. Leider schafft es die Geschichte von Hae-yi und Seon-jae nie, Teil der ganzen Geschichte zu werden, außer, dass dadurch, Hae-yi noch größere Probleme bekommt.
Ärgerlich ist, dass damit verbunden auch eine Nebengeschichte entsteht, die nichts mit der Hauptgeschichte zu tun hat. Seon-jae hat einen Bruder, der immer schweigt und im Hoody mit über den Kopf gezogener Kapuze stets das Haus verlässt und wieder betritt. Das hat den einzigen Sinn, dass wir denken sollen, er wäre ein Böser, ist er aber nicht. Seine Geschichte hat nichts mit den Hauptstrang zu tun. Er liebt einfach nur Katzen und beschützt Katzen.
Dann gibt es noch die Nebenstory mit Chi-yeols Assistenten, Ji Dong-hee.
Als Dong-hee noch in die Unterstufe ging, hatte er eine etwa gleichalte Schwester, Jeong Su-hyeon. Sie vertraute Chi-yeol als einzigem Erwachsenen, kam dann aber ums Leben. Und weil seine Schwester in der Unterstufe nur Chi-yeol vertraute, den Dong-hee damals garnicht kannte, schwor sich Dong-hee, dass er, wenn er erwachsen ist, alles tun würde, um Chi-yeol zu beschützen – sogar Morde würde er begehen. Damit aber Chi-yeol nicht merkt, dass er der Bruder von Jeong Su-hyeon ist, ändert er seinen Namen von Jeong Seong-hyeon in Ji Dong-hee.
Macht das Sinn? Also ich kann beim besten Willen darin keinen erkennen. Das ist eine Psychologie, die es wahrscheinlich nur auf dem Mars gibt.
Interessanterweise tötet Ji Dong-hee in seiner Freizeit auch Katzen. Katzen? Was haben die Chi-yeol getan? Muss man das verstehen? Doch so wird eine Verbindung mit Seon-jaes Bruder hergestellt. Warum? Waaaaaaaarum?
Aber der Abschuss ist, dass Ji Dong-hee sogar versucht Haeng-seon (also unsere Heldin) zu töten, weil „sich zu verlieben“ eine Gefahr für Chi-yeol darstellen würde und es gut für Chi-yeol wäre, wenn die Frau, die er liebt, ermordet werden würde. Äh… jetzt wird’s echt spooooky…
Auch das geschieht nur, um diese Nebengeschichte irgendwie mit der Hauptgeschichte, mit der sie eigentlich gar nichts zu tun hat, durch irgendeine, an den Haaren herbeigezogene, Logik in Verbindung zu bringen.
Folge 14. Hae-yi liegt im Krankenhaus. Hae-yi ist nicht die „Biotochter“ von Haeng-seon, sondern ihre „Bionichte“, wie wir inzwischen wissen. Das hat aber eigentlich nichts mit der Hauptgeschichte zu tun. Doch nun, plötzlich in Episode 14, taucht Hae-yis Biomutter auf. Warum? Die ganze Serie über hatte es keinerlei Bedeutung, dass Hae-yi nicht die Biotochter von Haeng-seon war, doch plötzlich in Episode 14 …. Muss ich das kapieren? Nein, muss ich nicht.
Und dann gab ich auf.
Wie kann man nur so einen Unsinn schreiben?
… und wie kann man den bis zum Ende ertragen?

Niemand liebt Erklärbären oder Rückblenden!
Gehen wir zu einem anderen Problem, das eine Geschichte extrem ausbremst: der Erklärbär. Meistens taucht er als Rückblende auf.
Wozu sind Rückblenden da?
Lange Rückblenden kommen immer dann, wenn das Drehbuch grottenschlecht ist, und der Drehbuchautor es nicht schafft, wichtige Ereignisse der Vergangenheit so einzubinden, dass sie in der Story vorkommen. Also muss er sie nochmals in langen Rückblenden erklären.
Kurze Erinnerungen, so 5 bis 10 Sekunden, sind immer okay. Manchmal muss sich unser Held oder unsere Heldin an etwas erinnern, um in der Geschichte vorwärts zu kommen. Aber wenn die Rückblenden dann mal 1 Stunde lang werden, wie in „Melo Movie“, wer soll das noch ertragen?
Rückblenden beziehen sich auf die Vergangenheit und diese ist nicht jetzt. Richtig? Sie ist vergangen. Letzten Endes hat sie nichts mehr mit der Haupthandlung JETZT zu tun.
Beispiel „Melo Movie“: Die Heldin hat Angst vor Beziehungen, weil sie Angst hat, verlassen zu werden. Doch sie lernt einen jungen Mann kennen und beschließt ihm zu vertrauen, dass er sie nicht verlässt. Er küsst sie also – und verlässt sie. Ohne Erklärung. Nach 5 Jahren steht er wieder da, ohne Erklärung, und sie will auch keine. Entschließt dann aber doch wieder ein Beziehung mit ihm anzufangen.
Äääh… war diese Trennung nicht traumatisch und extrem verletzend? Macht man dann einfach so weiter? Muss ich das verstehen?
Dann kommt der tolle Rückblick. Der Bruder des Helden hatte einen Unfall. Also geht er zu ihm ins Krankenhaus und ist dann im Krankenhaus, ist im Krankenhaus, ist im Krankenhaus, hilft dem Bruder aufstehen, hilft dem Bruder sich hinzulegen, fährt mit ihm im Rollstuhl… Geht’s eigentlich noch detaillierter? Interessiert mich das? Nein!!!!!!!! Und warum ruft er seine Freundin nicht an und sagt ihr, was los ist? Warum schreibt er ihr nicht? Wir wissen es nicht und werden es wohl nie erfahren. Auch werden wir wohl nie erfahren, warum der Drehbuchautor glaubt, uns eine Stunde lang zeigen zu müssen, wie der Held sich um seinen Bruder kümmert. Das wäre auch in 30 Sekunden gegangen, aber dann wäre die Serie wohl zu kurz.
Dann dachte ich: „Okay, die Schauspieler sind großartig, die Bilder sind großartig, gib der Serie noch eine Chance“. Habe ich, bis zur nächsten Rückblende von einer Stunde und dann gab ich auf.
Die Serie ist an sich schon sehr sehr langsam. Und dann noch ein „Full Stop“, eine Vollbremsung inmitten der Handlung durch eine Rückblende. Das geht gar nicht. Alle Nebenhandlungen müssen die Haupthandlungen voranbringen. Rückblenden sind nur erlaubt, wenn sie das auch tun. Tun sie hier aber nicht. Es sind lediglich Erklärbären für etwas, das auch kürzer oder anders ginge. Niemand mag Erklärbären. Die sind echt langweilig.
Rückblenden sind einer der häufigsten Kritikpunkte, wenn ihr mal die Rezensionen durchlest, werdet ihr das merken. Sie bremsen und stören. Wenn es etwas zu erklären gibt, dann könnte der Hauptdarsteller auch sagen: „Entschuldige, mein Bruder hatte einen Unfall und ich war neben der Spur. Als ich wieder zu mir kam, schämte ich mich so, dich einfach ohne Erklärung verlassen zu haben, und wusste nicht mehr, wie ich dich kontaktieren und dir das erklären sollte“. Problem gelöst. Ohne Rückblende. Aber dann ist die Serie natürlich kürzer.

Tastefully Yours – Nebenhandlung und Rückblende
Tastefully Yours habe ich bis zum Ende angeschaut. Warum also eine Bemerkung dazu?
Zwischendurch lese ich immer wieder Kritiken durch. Und als ich die Kritik von „Tastefully Yours“ nach der Veröffentlichung der 8. Folge las, wunderte ich mich, warum die Serie nach Episode 8 nur eine Wertung von 8,0 bei MyDramaList und von 7,8 bei IMDb hat.
Und was lese ich?
Folgende Zitate stammen von Menschen, die gerade Episode 6 angefangen hatten (alle Zitate sind vom 7.06.25):
„just finished ep 6… wtf happened to this kdrama? noooo, why they cant do a romcom without unnecessary drama… why the writers hate us like this? has korea lost its way with doing good romcoms?“ (Jay)
„Ich beendete gerade Episode 6 und …. oh Scheiße, was haben sie mit dem Drama gemacht? Neiiiiin, warum können sie keine Rom-Com (romantische Komödie) ohne eine unnötige Dramatik drehen … Warum hassen uns die Autoren so? Hat Korea vergessen, wie man gute K-Dramen macht?“
„My rating went from 8 to 5 for plot… ah~“ (BraBurningChick)
„Meine Wertung sank von 8 auf 5 für den Handlungsverlauf (Plot) … ah“
„I’m on episode 6 right now. This show had such a great and promising beginning, but after the ex arc started, it’s all going downhill. I had really high hopes for this to be just a light-hearted show about cooking with an enemies-to-lovers plot.“ (JV55X)
„Ich bin jetzt bei Episode 6. Diese Serie hat solch einen großartigen und vielversprechenden Anfang, aber nachdem die Geschichte mit dem Ex begann, ging alles den Bach runter. Ich hatte wirklich hohe Erwartungen …“

Das nächste Zitat ist wieder von JV55X, jetzt ist die Person bei Episode 8 angekommen:
„Just finished episode 8, now that the subplot with the ex is over and we’re finally back on track with the main plot, it’s a lot better. Episode 8 finally brought us back to the main plot, and I’m just excited to see if they can manage to end it properly by tying it all together in a good ending.“
„Ich habe gerade Folge 8 beendet. Jetzt, wo die Nebenhandlung mit dem Ex vorbei ist und wir endlich wieder auf zurück auf dem Pfad der Haupthandlung sind, läuft es viel besser. Folge 8 hat uns endlich wieder zur Haupthandlung zurückgeführt, und ich bin einfach gespannt, ob sie es schaffen, alles zu einem guten Ende zu verbinden.“
Das ist, was ich meine.
In „Tastefully Yours“ gibt es plötzlich eine Nebenhandlung, die nichts mit der Haupthandlung zu tun hat. So, wie in „Crash Course in Romance“ plötzlich die Biomutter auftaucht, so taucht hier plötzlich der Ex auf. Dieses Auftauchen hat den Zweck, die Vergangenheit unserer Heldin zu erzählen und warum sie dieses Restaurant aufgemacht hat. Aber: Ist das wichtig für die Haupthandlung? Nein. Interessiert es uns? Nur wenig. Auch das hätte man in zwei Sätzen erzählen können statt 2 Folgen lang abzuschweifen.
„Tastefully Yours“ ist eine wirklich gute Serie, die es auch als Besprechung auf K-Drama.de gibt, aber auch hier passieren solch unsinnige Drehbuchfehler und schon gehen die Bewertungen nach unten – und die Zuschauerzahlen natürlich auch.
Die Haupthandlung ist übrigens: Sie ist eine begnadete Köchin und hat ein kleines Restaurant, das schlecht läuft. Er ist ein Chaebols Sohn, hat ein eigenes Restaurant und ist spezialisiert darauf, Rezepte zu klauen. Also will er ihre Rezepte stehlen, verliebt sich aber in sie.
K-Dramen, bei welchen die Drehbuchautorinnen und -autoren alles richtig machen, bekommen meist auch hohe Bewertungen, wie hier und hier. In den meisten Fällen bedeuten schlechte Bewertungen schlechte Drehbücher und schlechte Regisseure, die die Drehbücher umsetzen. Doch sind solche Fehler doch eigentlich Kindergarten-Fehler. Gehen die Drehbuchautoren noch in den Drehbuch-Kindergarten? Warum geschehen immer noch solche leicht vermeidbaren Fehler?
Tipps zum Weiterlesen:
Die erwähnten K-Dramen auf Wikipedia (englisch):
Andere Texte aus obiger Reihe:
- Wie man gute K-Dramas schreibt (Hauptseite)
- Merkmale eines K-Dramas
- Die Hauptcharaktere eines K-Dramas
- Spannungsbögen und Heldenreisen