hell joseon

Warum ist das heutige Korea “Hell Joseon”?

Einleitung und Begriffsklärung

Diesen Text schrieb ich, nach ich “My Golden Life” gesehen hatte. Über den begriff “Hell Joseon” stolperte ich schon häufiger (unter anderem bei “Rain Or Shine“) und wollte schon früher etwas darüber schreiben. “My Golden Life” bietet viele Erklärungen an, weshalb es sich anbietet, am Beispiel dieser Serie auf die moderne Hölle einzugehen, in der sich viele junge Menschen in Korea glauben.

Joseon war der Name Koreas, bevor es Korea hieß. In dieser zeit war Korea ein Königreich mit einem Klassensystem. Man wurde in eine bestimmte Klasse hineingeboren und hatte keine Möglichkeit, diese zu verlassen, auch wenn dies in manchen historischen K-Dramas so dargestellt wird.

Im modernen demokratischen Korea glaubte man, das alte Klassensystem überwunden – oder hoffte es zumindest, doch die Realität ist eine andere. Nicht nur bei der Wahl der Lebenspartner, auch bei den Jobchancen herrscht große Ungerechtigkeit und die guten Jobs bekommen immer die Menschen mit den besten Beziehungen, welche gleichzeitig auch die Menschen mit dem meisten Geld sind.

Erklärung der Hölle-Joseon (Joseon-Hölle) des Drehbuchautors von “My Golden Life”

“Seit einigen Jahren schmückt die Theorie der Löffelklasse, wie „Gold-, Silber-, Bronze- und irdener Löffel“, täglich die Medien.
Es soll ein selbstironischer Neologismus sein, der besagt, dass der Rang eines Kindes durch die Fähigkeiten der Eltern und den von ihnen geerbten Reichtum bestimmt wird.
Es muss einem Gefühl der Verzweiflung und Entbehrung entsprungen sein, dass man allein durch individuelle Anstrengungen in der sozialen Klasse nicht aufsteigen kann.
Und das stimmt auch.

Jeder träumt davon, ein wunderbares, tolles und erfolgreiches Leben zu führen, aber es fällt mir schwer, aus dem irdenen Löffel herauszukommen, nur weil ich als Kind von Eltern mit einem irdenen Löffel geboren wurde, den ich mir nicht aussuchen konnte!
Das Leben ist… so ungerecht. Und es ist ungleich. […]
Viele Menschen ärgern sich darüber, in Hell Joseon geboren zu werden, einer Republik Korea, in der es schwer zu leben ist, und beschweren sich über diese soziale Struktur.
Aber… egal wie sehr ich mich beschwere und meckere, ich kann nichts dagegen tun.
Meine Umgebung verändert sich nicht, und diese Gesellschaft verändert sich nicht so leicht.

golden spoon

[…]
Allerdings sagt diese höllische Joseon-Republik Korea, dass ein irdener Löffel für immer ein irdener Löffel ist …
Man darf niemals das Material der Löffel oder der Stäbchen ändern.”

(den kompletten Text findet man hier)

Ursachen der Joseon Hölle

Sicherlich kann man die entstandene Joseon-Hölle auf viele Ursachen zurückführen, doch offensichtlich erscheinen mir 2:

  1. Vetternwirtschaft
  2. Das Schulsystem

Vetternwirtschaft

Dies ist ein bekanntes Problem. Doch vielleicht zunächst zu den aus dem Konfuzianismus abgeleiteten Hintergründen.

In Korea sind die Älteren für die Jüngeren verantwortlich (zum Beispiel die Eltern für die Kinder) und im Gegenzug müssen die Jüngeren den Älteren Respekt zollen (und meist ihnen gehorchen). Diese gegenseitige Verantwortung führt dazu, dass Eltern, die einen guten Job haben, sich in der Verantwortung fühlen, auch ihren Kindern einen guten Job zu verschaffen (es ist etwas komplexer, aber last es mich auf diese einfache Art erklären). Deshalb ist es in Korea normal, dass einem jemand einen Job verschafft, über die Beziehungen, die man hat.

In “My Golden Life” wird dies dargestellt und auch das daraus resultierende Problem: Unsere Heldin aus armem Hause (ohne Beziehungen) arbeitet als Aushilfskraft mit der Hoffnung auf eine Festanstellung. Sie ist die beste in ihrem Job und bekommt von allen Vorgesetzten Höchstwertungen. Eigentlich sollte sie folglich als Festangestellte für diesen Job übernommen werden. Doch statt dessen bekommt eine Mitbewerberin, die eigentlich für diesen Job nicht so geeignet ist, die Stelle, weil ihr Vater ihr diese über Beziehungen verschafft. Unsere Heldin wird entlassen.

Dies führt bei vielen Koreanern zur Resignation. Es bedeutet: Egal, wie sehr du dich anstrengst, letzten Endes entscheiden nicht deine Fähigkeiten oder dein Einsatz, sondern deine Beziehungen. Für Frauen ist dies noch dramatischer, als für Männer, da sie zusätzlich auf Grund ihres Geschlechts bei der Stellenvergabe diskriminiert werden (dies wird in “Something In The Rain” thematisiert).

Die Folge ist: Wer gute Beziehungen hat, bekommt die guten Jobs. Da in aller Regel arme Menschen, oder “Kinder”, deren Eltern nicht in Korea leben oder gestorben sind, weniger gute Beziehungen zu guten Jobs haben, bekommen sie die schlechter bezahlten Arbeitsstellen – oder gar garkeine Festanstellung, sondern müssen ihr Leben lang als Aushilfskräfte arbeiten (wie zum Beispiel die Heldin in “My Mister“. Auch sie schafft es letzten Endes nur mit fremder Hilfe ihrer Situation zu entkommen.)

Das Schulsystem

Das koreanische Schulsystem ist extrem schlecht. Bislang kenne ich keine einzige Serie, die das wunderschöne Leben von Lehrern und Schülern zeigt. Das muss nichts bedeuten, dennoch…

Das Schulsystem verursacht mehrere Probleme.

1. Schlechte Schulqualität und Nachhilfe

Es scheint nahezu unmöglich zu sein in Korea eine Schule zu besuchen und sehr gute Noten zu bekommen ohne Nachhilfe. Deshalb bekommt das Schulsystem von mir die Note 6. Schließlich werden Lehrer ja dafür bezahlt, ihren Schülern etwas so beizubringen, dass sie es anschließend können. Wenn die Lehrer das nicht schaffen, sind es schlechte Lehrer. Das gilt auch in Deutschland, nicht nur in Korea. An der Menge der Nachhilfeschüler erkennt man die Qualität der Lehrkräfte.

In Korea ist es üblich, Nachhilfe zu nehmen. Nachhilfe kostet Geld – und das haben arme Leute nicht. Wer keine Nachhilfe bekommt, ist meist automatisch benachteiligt, es sei denn, man ist ein Überflieger und Naturtalent. Dies findet man unter anderem auch in Little Women.

2. Schule und Universität sind privat und kosten Geld

In Korea ist die Schule nur bis zur 10. Klasse kostenlos. Für das Abitur muss man bereits viel Schulgeld bezahlen – und für das Studium noch mehr. Die Koreaner sind wahre Bildungsfanatiker, weshalb 85% aller Koreaner das Abitur haben, obwohl es viel Geld kostet.

Es ist offensichtlich, dass viele auf Grund der hohen Kosten nicht studieren können. Reiche können alles studieren, arme Menschen nur sehr eingeschränkt. Es gibt auch Stipendien, aber die bekommt natürlich nicht jeder.

Selbst wenn ein armer Mensch es schafft, einen Kredit aufzunehmen und zu studieren, so muss er dennoch meist neben dem Studium arbeiten, um die Kosten wieder hereinzubekommen.

Auch ist es wie bei uns: Wer kein großes Einkommen hat und einen Kredit benötigt, bekommt von der Bank keinen. Also woher das Geld nehmen? Am besten von einem Kredithai, denn dafür sind sie ja da. Arme Menschen müssen dadurch für ihren Kredit sehr hohe Zinsen bezahlen, was zusätzlich dafür sorgt, dass es schwieriger für sie ist, einen Kredit abzubezahlen. Reiche dagegen können Gymnasium und Universität problemlos bezahlen oder bekommen einen günstigen Kredit von der Bank.

Man sieht: Egal, was ein armer Mensch macht, er bleibt arm. Selbst wenn er studiert, so hat er anschließend so hohe Schulden, dass er Probleme hat, diese zurückzuzahlen. In Dr. Romantic 3 zum Beispiel (und in vielen anderen Serien), sind deshalb Kredithaie hinter unserem jungen Helden her.

Und selbst wenn man nicht zu den Ärmsten gehört, ist es schwer. In “Weightlifting Fairy, Kim Bok-joo” hat die Familie einer Heldin einen Kredit auf ihr Haus aufgenommen, um das Sportgymnasium bezahlen zu können. Doch die Erfolge der Tochter bleiben aus, die Eltern können den Kredit nicht zurückzahlen. Sie verlieren das Haus und lassen sich scheiden.

Die Lösung:

  • Kostenloses Abitur und kostenloses Studium
  • Verbot der “Jobbeschaffung”

Das Ziel des Konfuzianismus – und vor allem des Neokonfuzianismus – ist eine gerechte funktionierende Gesellschaft. Gerade auf Grund dieses Traumes wurde eigentlich Joseon erschaffen (sie “Six Flying Dragons“). Den Reichen ihre Privilegien (denn nichts anderes sind die oben genannten Punkte) zu nehmen, wenn diese nicht zum Wohl des Volkes sind, ist auch im Konfuzianismus richtig und gut. Abgesehen davon, ist es eine üble Diskriminierung und deshalb eine Verletzung von Menschenrechten und einer modernen Gesellschaft nicht würdig. Ich hoffe, dass diese Probleme mit der nächsten Regierung etwas angegangen werden (die momentane ist eher rechtsradikal und wird dies nicht tun). Allgemein wäre es wichtig, um diese “Hölle” anzugehen, den Sozialstaat weiter auszubauen und Diskriminierungen abzubauen.

Szene aus “My Golden Life”

… in welcher der Sohn dem Vater erklärt, warum er nicht studieren möchte
… und warum dies in Hell-Joseon, in der Joseon-Hölle, keinen Sinn macht.

My Golden Life | 황금빛 내인생 – Ep.19 [SUB : ENG,CHN,IND /2017.11.11]

Vater:
[33:35] Also, sobald du entlassen wurdest, [33:40] hast du dir einen Job besorgt, anstatt für die College-Aufnahmeprüfung zu lernen?

(College = Hochschule)

Sohn:
[33:46] Es tut mir leid, dass ich gelogen habe, aber ich hatte keine andere Wahl. Du hättest meinen Plan sowieso missbilligt.

Vater:
[33:52] Dafür muss es einen guten Grund geben. Ist es so schlimm, dir zu sagen, du sollst aufs College gehen?

Sohn:
Papa, ich habe das gesagt, als ich das Jahr wiederholt habe. [33:59] und auch bevor ich zur Armee ging: Ich werde nicht aufs College gehen. Ich will nicht gehen.

Vater:
[34:04] Wenn du wirklich gelernt hättest, hättest du das nicht gesagt.

Sohn:
Wenn mir lernen leicht gefallen wäre, wäre ich aufs College gegangen. [34:09] Aber ich bin schlecht im Lernen. Ich lerne weder gern noch mag ich es. Welchen Sinn hat es dann, auf die Uni zu gehen?
[34:15] [Selbst] Leute, die im Ausland oder an einer guten Hochschule studiert haben, haben es schwer, einen Job zu finden. [Wenn sie keine guten Beziehungen haben]. Auch wenn ich mein Bestes gebe, [34:21] werde ich es nicht schaffen, auf ein gutes College zu gehen. Warum sollte ich also ein Studium absolvieren? Es ist eine Verschwendung von Zeit und Geld.

Vater:
Deshalb solltest du studieren. [34:28] Du solltest dich mehr anstrengen.

Sohn:
Papa, bitte. [34:35] Was bringt es, das College zu beenden? Ist das College eine Garantie für Erfolg? Ein gutes Leben?
[34:41] Du warst auch auf dem College, oder? Ji-an [, meine Schwester,] war auf dem College [und ihr beide habt keine guten Jobs bekommen. Unsere Familie ist arm].
[34:47] Warum willst du Geld für mich verschwenden, wenn es uns nicht einmal gut geht? Es ist besser für mich, wenn ich anfange, etwas zu verdienen.

Vater:
[34:54] Ich habe es dir gesagt. Ich habe dir gesagt, dass ich dich nicht arbeiten lasse, während du studierst.

Sohn:
[35:01] Ich verdiene jetzt Geld. Bezahle damit die Schulden. Ich bin zu alt, um deine Hilfe in Anspruch zu nehmen. [35:08] Ich habe das Recht zu entscheiden, was ich mit meinem Leben anfangen will. Papa, ich [35:13] spare Geld, um mein eigenes Unternehmen zu gründen. Ich habe das ganze Geld, das du und meine Geschwister mir gegeben haben, gespart, ohne einen Pfennig auszugeben. [35:20] Ich werde es [meinem großen Bruder] Ji-tae schenken.

Vater:
Jitae?

Sohn:
[35:27] Er ist derjenige, der unsere Schulden abbezahlt. [35:32] Ich fühle mich Ji-tae gegenüber immer in der Schuld.

Vater:
[35:40] Heißt das, du gibst das College auf? [35:45] Und willst nur noch Geld verdienen, weil wir arm sind?

Sohn:
[35:51] Nur Geld verdienen? Die Leute gehen aufs College, um einen gut bezahlten Job zu bekommen. [36:04] Jeder hat eine College-Erfahrung. [Aber nicht jeder hat einen gutbezahlten Job]

Vater:
College-Erfahrung? [36:09] Was ist falsch daran, keine zu haben?

Sohn:
Es gibt so viele Dinge, die ich mit Geld machen kann.

ps

Auf dieser Seite geht es um Korea. Natürlich gilt die Kritik auch für Deutschland. Das Studium ist zwar kostenlos, aber Unterkunft und Sozialkosten (Studentenwerk) müssen dennoch selbst bezahlt werden – und Zimmer in Städten sind extrem teuer. Auch bei uns entwickelt sich deshalb immer mehr ein Klassensystem und geht unsere Gesellschaft immer mehr in Richtung einer koreanischen. Auch bei uns sollte man diese Probleme dringend angehen. Auch bei uns war einst der Traum: Bildungsgerechtigkeit. Doch auch wir sind fast wieder im Kaiserreich angekommen. BIldungs- und Jobgerechtigkeit sind das A und O einer guten, die Würde der Menschen achtenden Gesellschaft.